Montag, 8. Dezember 2008

Text zu Ungewollt

Es gab sie zu jeder Zeit und es wird sie immer geben.
Menschen, welche sich durch ihr äußeres Erscheinungsbild von der gesichtslosen Masse abheben möchten, wenn es sein muss auch negative Aufmerksamkeit nicht scheuen, nur um überhaupt auf zu fallen. Menschen, die der Mode widerstehen und sich durchaus nicht dafür schämen, einen alten Trend, welchen die breite Masse ihrer Mitmenschen als brechreiz-herausfordernd empfinden, für sich selbst neu zu entdecken.
Ich wollte für eine kurze Zeit, zu diesen Rebellen gehören.
Wir leben in einer denkwürdigen Zeit, sich den Körper ganzheitlich zu enthaaren ist längst kein politisches Statement mehr, sondern eine Sexualphilosophie.
Wer nicht kratzt stinkt auch nicht! Glatt sollen wir sein, wie der ganze technische Firlefanz, der uns umgibt. Konsumentenfreundlich und parfümiert, so liebe ich meine Sexualpartner.
Und dennoch lockte es mich, dieser Mode zumindest zeitweise zu entfliehen und mich aus reiner Neugierde für kurze Zeit den Reihen der Aussenseiter und Provokateure anzuschließen.
Ich ließ mir einen Schnurrbart wachsen, als Trotzburg, als Zeichen meines Widerstandes gegen diese Attitüde.
„Vive la Mustache!“
Drei Wochen überwachtes Wachstum und intensive Oberlippenpflege reichten mir aus, um meine Rebellion zu ihrem Höhepunkt und aus dem Untergrund zu führen.
Ich war auf alles gefasst, es konnte losgehen.
Erhobenen Hauptes trug ich stolz mein Statement in die Öffentlichkeit.
Ich konnte förmlich spüren, wie meine Gesichtsbehaarung alles und jedem mutig entgegensprang und den vorbei laufenden Menschen mit lautem Klatschen ins Gesicht schlug.
Allerdings glaube ich, dass meine Botschaft nicht fehlerlos bei meinen Mitmenschen angekommen ist, da mir kein Hass entgegen schlug. Kein Mensch regte sich darüber auf, dass ich ihn unterdrückte oder diskriminierte.
Im Gegenteil, im Laufe des Tages gaben mir ein paar gut aussehende und ganzheitlich rasierte Herren, wie mir zumindest einer von ihnen vertraulich mitteilte, ihre Telefonnummern.
Sie schienen an meiner näheren Bekanntschaft sehr interessiert zu sein und einige Frauen kicherten belustigt hinter meinem Rücken über mich.
Ich habe mir am selben Abend noch den Schnurrbart abrasiert, da mein Versuch der Gesellschaft mit meinem entstellten Äußeren vor den rasierten Schädel zu stoßen kläglich gescheitert war.
Mir will nur nicht in den Kopf, was der Denkfehler bei dieser Aktion gewesen sein konnte.

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